Hermann Hesse "Demian"
In den 1960-er und 70-er Jahren waren seine Romane vor allem unter Schülern und Studenten Kult. Heute ist Hermann Hesse nicht mehr in aller Munde. Sein Roman „Demian“, den er 1919 trotz bereits drei vorangegangener erfolgreicher Romane unter Pseudonym veröffentlichen musste, weil er durch pazifistische Zeitungsartikel während des Ersten Weltkrieges in seiner Heimat in Ungnade gefallen war, hat auch heute Jugendlichen noch viel zu sagen. Unsere Kunstimpulsklasse fand Zugang zur Botschaft des Romans: Selbstfindung durch Verwirklichung des aus dem eigenen Inneren hervorbrechenden ‚ganzen Menschen‘. Emil Sinclair, die Hauptfigur und der Ich-Erzähler des Romans, so fanden die Schüler heraus, durchläuft eine Individuation im Sinne des Tiefenpsychologen Carl Gustav Jung, mit dessen Schriften sich Hesse intensiv auseinandersetzte: Sinclair dringt nach vielen Irrungen während seiner Schul- und Studienzeit zur Erkenntnis und lebendigen Verwirklichung seiner ganzen Persönlichkeit durch und kann am Ende ohne seinen Mentor Demian das Leben meistern, weil er in sich selber das das Bild des ganzen Menschen findet. Die Schüler spürten den vielen Symbolen und Verweisen des Textes – etwa auf den antiken Abraxas-Mythos - nach, hinterfragten aber auch kritisch die eigenwilligen Umdeutungen der biblischen Kains-Geschichte oder der beiden Verbrecher, die zur Linken und Rechten von Jesus Christus gekreuzigt wurden.
Hermann Hesse (1877-1962)